Lüttge-Garten

100 Jahre Gustav Lüttge


Anlässlich des 100. Geburtstages von Gustav Lüttge veranstaltete unser Verein am Freitag, den 12. 6. 2009 eine Informations-veranstaltung

Das Programm beinhaltete:

- Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden des Vereins „Freunde des Lüttge-Gartens“, Erich Clef-Prahm

- Laudatio auf Gustav Lüttge, Heino Grunert, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Gartendenkmalpflege - Text siehe unten

- Lüttge und seine Ideen – Auszüge aus seinen Originalvorträgen, vorgetragen und gelesen von Gustav Lüttges Sohn Martin

- Lüttge und seine Arbeiten, Kurzvortrag von Eva Henze, Landschaftsarchitektin und Fachjournalistin - Text siehe unten

- Lüttge in der täglichen Zusammenarbeit, Karl Georg Lindenlaub, Landschaftsarchitekt und ehemaliger Mitarbeiter von G. Lüttge

- Lüttges Privatgarten/Rhododendrenhain - gestern und heute, Claus Nelson-Jahr, Landschaftsarchitekt, Mitglied des Vereins

Dieses Grußwort von Thomas Lüttge wurde verlesen:

Sehr geehrter Herr Clef-Prahm, sehr geehrte Referenten der Gedenkfeier, verehrte Vereinsmitglieder und alle Freunde des Lüttge-Gartens,

als Sohn von Gustav Lüttge habe ich die Entstehung dieses Gartens miterlebt und erinnere mich an die Phasen der Planungen, des Hausbaus und seit den Anfängen an die Vision unseres Vaters von einem Rhododendron Versuchsgarten. Diesem langfristig angelegten Garten, der die Bedingungen für das Wachstum seiner geliebten Rhododendren und ihren Neuzüchtungen erfüllte, nannte er einen "Hain". Es sollte ein Rhododendron HAIN werden.

In diesem Wort waren seine Wünsche und Idealbilder enthalten aber auch Hoffnungen auf eine friedliche Gesellschaft und tiefer liegende Sehnsüchte nach Stille und spontaner Kommunikation. Vielleicht kamen seine Vorstellungen von einem Hain von Homer aus dem Griechischunterricht ? Jedenfalls hat er öfter von den alten Griechen gesprochen, die sich zu Spielen und zum Gespräch unter großen Schattenbäumen trafen... Haine von Olympia, Delphi oder Athen,... Orte der Freude und Heiterkeit, der Kontemplation und des menschlichen Austauschs jenseits alltäglicher Familien- oder Freundeskreise... Geschützt von Sträuchern und Bäumen... Ein befriedeter Ort der Begegnung.

Als Jugendlicher damals in den 50er Jahren in der Aufbauzeit nach dem Krieg fand ich diese Ideale meines Vaters etwas hoch angesiedelt und leicht übertrieben. Gleichzeitig spürte ich doch was für eine Kraft sein Vorhaben hatte, denn er ließ Zweifel und Gegenargumente nicht gelten und schob sie gelassen beiseite. Es war schon damals so, als hätte dieser HAIN eine ganz eigene Dynamik entwickelt, in deren Dienst er sich und seine Arbeitskraft stellte. Eine Vision ist eben weit mehr als eine Idee.

In diesem Sinn verbindet alle, die sich heute für den Garten engagieren, etwas mit der ursprünglichen Vision von Gustav Lüttge. Den Vereinsmitgliedern und Freunden des Gartens wünsche ich als Lohn für viele Arbeitsstunden und mühevolle Verhandlungen glückliche Momente hier an diesem Ort – allein, und in menschlichen Begegnungen, die nur in diesem besonderen Garten-Hain jetzt wieder möglich sind.

Ich wünsche dem Verein für die Zukunft immer wieder gutes Gelingen bei den neuen Vorhaben und Hilfe aus vielen Richtungen zur richtigen Zeit.

Ich grüße Sie alle, die heute hier zusammengekommen sind ganz herzlich.

Thomas Lüttge

Heino Grunert „100 Jahre Gustav Lüttge und sein Wirken“ Laudatio zur Jubiläums-veranstaltung

Meine Damen und Herren,

Hamburger Gartenbauer, Gartenkünstler, Gartenarchitekten oder auch Landschaftsarchitekten haben in Deutschland von jeher einen guten Ruf gehabt auch ohne dass Generationen von Hofgärtnern sich um fürstliche Anlagen gekümmert haben. Hamburger Gärten finden an vielen Stellen in der Literatur Erwähnung. Die 2006 im Hamburg-Museum gezeigte Ausstellung „Die unaufhörliche Gartenlust“ hat dies ein- drucksvoll dokumentiert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte die Firma Jacob Ochs aus Hamburg mit Aufträgen aus dem In- und Ausland neben Späth in Berlin zu den ganz großen Büros in Deutschland. Vielfache Gartenschauen zeigten überdies das Leistungsbild eines stolzen, selbstbewussten Berufsstandes, wie auch zahlreiche Produktionsflächen im Hamburger Raum und der Handel mit Übersee damals wie heute für die tiefe Verwurzelung des grünen Gewerbes mit dieser Region sprechen.

Den hohen Stand der Gartenkultur in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts insbesondere auch im kleineren Hausgarten lässt sich heute sehr gut an Hand zah reicher Luftbilder aus dieser Zeit dokumentieren. Insbesondere Wege, ob geschwungen oder geradlinig, strukturieren die meist sonnigen Gärten.

Dies war auch die Zeit, als der heute vor 100 Jahren in Hamburg geborene Gustav Lüttge die Hamburger Gartenkultur kennengelernt hatte. Nach dem Johanneumsbesuch und einer abgebrochenen Kaufmannslehre arbeitete Lüttge zunächst in einer Baumschule dann kurzzeitig in der Staudengärtnerei bei Karl Foerster in Bornim und schließlich bei Wiepking in Berlin, bevor er sich ohne Absolvierung eines geregelten Studiums 1933 in Hamburg selbstständig machte (Wiepking leitete vorher die Berliner Filiale von Jacob Ochs).

Mit den neuen Machthabern hat sich Lüttge zu dieser Zeit wohl irgendwie arrangiert. Planungen zur gärtnerischen Ausgestaltung der Zufahrtstraßen zur neuen Elbhochbrücke, ein HJ-Heim oder Tarnpflanzungen für Blohm- und Voß in Finkenwerder, Wehrbauten in Itzehoe oder Bergedorf oder die Planungen für die Hansische Universität in Klein-Flottbek belegen dies. Vor allem aber waren es auch Planungen für Hausgärten, mit denen sich Lüttge hervorgetan hat.

Nach seiner Marinezeit in Kiel und dem erneuten Aufbau einer eigenen Existenz in Hamburg engagierte sich Lüttge im Hamburger Baukreis (1946-1953), einem Zusammenschluss von Architekten und Künstlern. Erste Hausgartenplanungen erfolgten zunächst vor allem in den Ortsteilen Othmarschen und Hochkamp, später dann auch vermehrt in Blankenese, Wellingsbüttel und Rotherbaum. Als Durchbruch in Lüttges Tätigkeit können zweifellos die Planungen für die Ausstellung „Plastik im Freien“ im Alstervorland im Rahmen der IGA 1953 und die Planungen der von Hans- Bernhard Reichow entworfenen Gartenstadt Hohnerkamp gelten (Stichwort Karl Plomin). Lüttge arbeitete nun mit den bekannten Architekten seiner Zeit zusammen: Erich Elingius, Gerhard Langmaack, Rudolf Lodders, Friedrich Ostermeyer, Jürgen Ruschewey um nur einige zu nennen. Der Wiederaufbau des Hansaviertels in Berlin-Tiergarten im Rahmen der Interbau 1957 oder die Wohnsiedlung Marienhöhe von Richard Neutra in Quickborn waren weitere herausragende Projekte aus seiner Hand.

Durchschnittlich wurden nun zwischen vier und 12 Projekte pro Jahr fertig gestellt, jedenfalls wenn ich meiner Datenbank Glauben darf. Dies betraf nun nicht nur den gesamten Hamburger Raum, sondern auch zahlreiche Arbeiten in Deutschland, so dass wir heute ein Werkverzeichnis von weit über 300 Projekten vorfinden. Und wie bei allen großen Planern stand auch Gustav Lüttge ein qualifiziertes Team von Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung. Ich hebe dies besonders hervor, nicht um seinen Verdienst zu schmälern, nein denn viele große Entwürfe entstehen letzt- endlich erst aus der Diskussion unterschiedlicher Standpunkte, Analysen und Mei- nungen. Herr Lindenlaub wird nachher sicher darüber berichten.

Wo Zeit blieb, hat Gustav Lüttge auch veröffentlicht. Für den Historiker ist dies außerordentlich wichtig, denn nur durch den Zugriff auf Originalquellen besteht die Möglichkeit einer korrekten historischen Einordnung und Bewertung der Leistungen. So verwundert es auch nicht, dass Gustav Lüttge bei vielen namhaften Gartenhistorikern in Deutschland bekannt ist. Sein Name fällt in einem Atemzug mit Plomin und Schulze, die sich ebenfalls in der Nachkriegszeit und beim Wiederaufbau hervorgetan haben. Wilhelm Hübotter nannte ihn gar den besten GA des 20. Jahrhunderts.

Gustav Lüttge kannte sich aus mit Pflanzen (das Rhododendronthema sei hier nur am Rande erwähnt), Größen, Wuchsformen und Farben, mit Kontrasten, Licht und Schatten, mit Raumbildungen und Materialien. Nicht zuletzt dürfte auch sein ausgeprägtes Kunstverständnis dazu geführt haben, dass von Lüttge nicht nur Planungen auf hohem Niveau sondern durch entsprechende Ausführungen auch qualitativ hochwertige Anlagen entstanden.

Die besondere Formensprache von Lüttge lässt sich meines Erachtens am besten bei einem uns allen bekannten Beispiel nachvollziehen. Es handelt sich im Alstervorland um den Bereich der schon erwähnten, ehemaligen Ausstellungsfläche „Plastik im Freien“, die im Rahmen der IGA 1953 entstand: Die regelmäßig-rhythmische Aufreihung der Skulpturen-Standorte im Bereich der Staudenflächen entlang einer ganz leicht „gekrümmten Gerade“ kontrastiert mit den lichten Alsterwiesen und einer fast landschaftlichen Bepflanzung im Uferbereich, die Teichanlage mit der Brücke passt genauso in das Konzept wie die Abpflanzung zum so kaum wahrnehmbaren Harvestehuder Weg. An kaum einer anderen Stelle ist die Spannung des Entwurfes bzw. der Geist des Ortes auch heute noch so deutlich zu spüren. Zurückhaltung und Sparsamkeit in der Auswahl der Pflanzen ohne Verzicht auf deutliche Akzente bestimmen genauso die Qualität wie die gediegene Materialverwendung dort, wo es darauf ankommt. Mich begeistert diese Planung immer wieder.

Meine Damen und Herren, Gustav Lüttge war zweifellos aus unserem Berufsstand einer der ganz Großen. Und so wie andere für ihn Vorbild waren, hat er sein Wissen weiter gegeben und eine neue Generation Hamburger Gartenarchitekten geprägt: Beispielhaft erwähnt seien die Kollegen Hess, Lindenlaub, Henze, von Winterfeldt, Bödecker, Eppinger und Rüppel. Lüttges Gärten sind vielerorts noch erhalten und sind zunehmend auch ein Beschäftigungsfeld der Gartendenkmalpflege. Dass die „Freunde des Lüttge-Gartens in Hamburg-Lokstedt e.V.“ sich hier um seine letzte Wirkungsstätte kümmern, zeigt mehr als deutlich, wie sehr sein Lebenswerk auch heute noch aktuell ist. Und nicht vielen Gartenarchitekten ist es vergönnt, dass der hundertste Geburtstag in so einer Runde gefeiert werden kann.

Ich danke Ihnen.